In den breiten Medien taucht der Begriff „Agroforstwirtschaft“ immer häufiger auf und auch in vielen wissenschaftlichen, politischen und landwirtschaftlichen Kreisen ist das Thema seit einigen Jahren präsent und von zunehmender Bedeutung.
Was ist Agroforstwirtschaft?
Agroforstwirtschaft ist die Kombination von 'Landwirtschaft' (lat.: agricultura) und 'Forstwirtschaft'. Agroforstsysteme sind demnach Landnutzungsformen, in welchen mehrjährige Gehölze mit Ackerkulturen und/oder Tierhaltung kombiniert werden. Simpel ausgedrückt werden „Bäume auf den Acker gepflanzt“. Nicht umsonst nennen wir uns die Baumschule ackerbaum: Wir sehen, dass Agroforstsysteme einen wichtigen Lösungsansatz im Hinblick auf den Klimawandel, die Ernährungssouveränität und das Artensterben darstellen!
Im Folgenden wollen wir kurz und bündig erläutern, warum die Agroforstwirtschaft eine so wichtige Rolle spielt in der Zukunft der Landwirtschaft, welche Vor- und Nachteile sie bietet, wie ertragreich Agroforstsysteme sein können und welche Pflanzen hierfür geeignet sind.
Kulturlandschaften ohne Artenvielfalt
In Mitteleuropa sind artenreiche Mischwälder das natürlicherweise dominierende Ökosystem. Die Entwaldung begann zunächst mit der Besiedlung Mitteleuropas. Vor allem die industrielle Revolution und das Bevölkerungswachstum im 19ten Jahrhundert erhöhte enorm den Holzbedarf. Der Begriff der Nachhaltigkeit stammt aus der Forstwirtschaft (Carl von Carlowitz, 1713). In der Forstwirtschaft wird bereits seit langer Zeit die Erneuerung der Ressourcen, welche verbraucht werden, in den Fokus gestellt. Allerdings ist die Kulturlandschaft, wie wir sie heute kennen, weit entfernt von dem natürlicherweise vorherrschenden Waldökosystem.
Während heute etwa ein Drittel Deutschlands von Wald bedeckt sind, wären es potentiell etwa 90%. Vor wenigen Generationen wuchsen vielerorts noch viel mehr Gehölze in der Landschaft, welche als Hecken oder auf Streuobstwiesen die Kulturlandschaft prägten. Im Zuge der Flurbereinigung sowie der zunehmenden Flächengröße der mittleren und großen landwirtschaftlichen Betriebe gingen viele dieser kleinräumigen Strukturen verloren. Mit verheerenden Folgen für die Artenvielfalt und das Mikro- und Mesoklima!
Pflanzenvielfalt in Agroforst-Systemen
Bäume und Sträucher sind die zentralen Aspekte der Agroforstwirtschaft und haben vielfältige Funktionen in einem artenreichen, landwirtschaftlichen Ökosystem. Sie sorgen für eine tiefe Durchwurzelung des Bodens, fördern den Humusaufbau und ein gesundes Bodenleben, liefern Schatten und Windschutz, vermindern Bodenerosion und können zudem weitere nützliche Erträge bringen. Hierbei spielen in der Agroforstwirtschaft sowohl Wertholz, Brenn- oder Energieholz, sowie Dauerkulturen wie Nüsse, Obst und Beeren eine Rolle.
Agroforstsysteme können als einfache Kombination aus breiteren Ackerstreifen mit Gehölzstreifen dazwischen oder mehrlagig und artenreich aufgebaut sein.
Auch die Beweidung von Streuobstwiesen oder Nussplantagen fällt unter den Begriff der Agroforstwirtschaft. Die Möglichkeiten sind dementsprechend sehr vielfältig. Werden essbare Gehölze in einem Agroforstsystem integriert, können Lebensmittel auf verschiedenen Ebenen, zum Teil sogar mehrlagig angebaut werden. Diese in den Tropen weit verbreitete Technik ist auch in Mitteleuropa gut umsetzbar (mehr dazu weiter unten, siehe: „Wie ertragreich sind Agroforstsysteme?“).
Was sind Vorteile von Agroforstwirtschaft?
Viele wissenschaftliche Studien belegen bereits die Wirksamkeit der Agroforstwirtschaft im Hinblick auf den Bodenaufbau, Artenvielfalt, CO2-Speicherung und höheren bzw. zusätzlichen Erträgen. Der „Deutsche Fachverband für Agroforstwirtschaft“ bietet ein breites Angebot an Fachinnformationen, darunter auch Verweise zu wissenschaftlichen Studien und Forschungsprojekten. Hier geben wir einen Überblick über die wichtigsten Vorteile der Agroforstwirtschaft:
Bodenaufbau
Durch die starke Durchwurzelung des Bodens fördern Gehölze die Bodenstruktur und das Bodenleben. Ein fruchtbarer Boden wird maßgeblich durch das Bodenleben bestimmt. Dieses braucht „Luft zum Atmen, Wasser zum Trinken sowie Zucker zum Essen“. Genügend Luft und Wasser erhält es durch eine günstige, eher lockere Bodenstruktur. Der Zucker gelangt vom Blatt der Pflanze, wo er durch Photosynthese hergestellt wurde, in die Wurzeln und wird hier aktiv an das Bodenleben gegeben – im Austausch gegen Nährstoffe und Wasser. Gehölze, welche für einen längeren Zeitraum Photosynthese betreiben und den Boden intensiver durchwurzeln als andere Kulturpflanzen, sorgen hiermit für den Bodenaufbau.
Klimaschutz
Der Boden ist der größte terrestrische Speicher für CO2. Durch Humusaufbau kann somit aktiver Klimaschutz betrieben werden. Das Bodenleben spielt eine zentrale Rolle beim Humusaufbau. Gehölze bieten einerseits Nahrung für das Bodenleben durch den Zucker, welcher während der Vegetationsperiode über die Wurzeln abgegeben wird. Zudem sorgen sie für einen hohen Biomasse-Eintrag - durch Laub, Äste und abgestorbene Wurzeln. Das Laub, die Äste und die Wurzeln verwittern und werden durch sogenannte Zersetzer (Pilze, Bakterien und Kleinstlebewesen) zersetzt. Hierdurch erfolgt Humusaufbau, denn aus den Ausscheidungen der Zersetzer entwickeln sich stabile Huminsäuren. Dies bedeutet wiederum eine CO2-Speicherung im Boden. Weiterhin speichern Bäume CO2 im Holz, welches als Baustoff verwendet ebenfalls einen guten CO2-Speicher darstellt. Gehölze leisten durch CO2-Speicherung einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz.
Artenvielfalt
Bäume und Sträucher bieten Nistmöglichkeiten für Vögel, Lebensraum für Insekten und fördern das Bodenleben. In Agroforstsystemen werden häufig Gehölzstreifen angepflanzt, welche dann ein günstiges Habitat auch für Säugetiere, Reptilien und Amphibien bilden können. Die Gehölzstreifen können idealerweise Raum für diverse Kräuter, Gräser und Stauden bieten. Viele Gehölze und auch die begleitende Krautvegetation bieten Nektar und Pollen für bestäubende Insekten.
Produktdiversifizierung
Nüsse, Obst, Beeren, Wertholz oder Energieholz können als weitere Produkte vermarktet werden. Dies kann weitere lukrative Einkommensströme für den landwirtschaftlichen Betrieb bedeuten.
Ertragssteigerung
Wissenschaftliche Studien haben die ertragssteigernde Wirkung von Heckenpflanzungen und Agroforststreifen – je nach Kulturart bis zu einer gewissen Wuchshöhe – belegt. Dies liegt an verschiedenen Faktoren, wie etwa Windschutz, günstiges Mikroklima und auch Beschattung, welche sich bis zu einem gewissen Grad positiv auf die meisten Kulturpflanzen auswirkt. Agroforstsysteme erhöhen zudem die Biodiversität, wodurch sich auch besser Räuber-Beute-Populationen aufbauen können, welche sich regulierend auf den Schädlingsdruck auswirken können.
Nachhaltige Energieversorgung
Agroforstsysteme in Form von Energieholzpflanzungen und KUPs (Kurzumtriebsplantagen) können eine effiziente nachhaltige Energiequelle darstellen. Um hohe Wachstumsraten zu erreichen, wird hier mit besonders schnellwüchsigen Baumarten gearbeitet.
Erosionsschutz
Mehrjährige Gehölzstreifen zeichnen sich durch ein dichtes Wurzelwerk aus. Gerade bei hangparallelen (oder bei „Keyline-“) Pflanzungen bedeutet dies einen effektiven Schutz gegen Erosion. Bei Starkniederschlägen wird das Oberflächenwasser gestoppt und feine Bodenpartikel, die sonst häufig in die nächsten Gewässer geschwemmt werden, bleiben vor Ort. Der Windschutz der Gehölzstreifen sorgt zudem für einen besseren Schutz vor Winderosion.
(Grund- und Hoch-)Wasserschutz
In Agroforstsystemen kann der Niederschlag aufgrund verschiedener Faktoren besser im Boden aufgenommen und gespeichert werden. Zunächst sorgt eine stärkere Durchwurzelung des Bodens für eine lockere Bodenstruktur, wodurch das Wasser besser einsickern kann. Die Gehölze sorgen für den Aufbau von organischem Stoffgehalt im Boden. Dies hat zur Folge, dass der Boden einer höhere Wasser-Speicherkapazität entwickelt. Somit können Agroforstsysteme dafür sorgen, dass auch bei extremen Niederschlägen weniger Wasser oberflächig abfließt. Hierdurch leisten sie effektiven Hochwasserschutz. Gleichzeitig profitiert das Grundwasser davon, wenn mehr Wasser versickern kann und das Grundwasser speist.
Landschaftliche Ästhetik
Diverse Landschaften, welche zu unterschiedlichen Jahreszeiten blühen, Früchte tragen, Vögel und Insekten nähren, buntes Laub – auch dies sind wertvolle „Nebeneffekte“ von Agroforstsystemen. Sie können eine wahre Bereicherung darstellen, gerade in Gegenden wo karge „Agrarwüsten“ dominieren.
Hat Agroforstwirtschaft auch Nachteile?
Bei all den Vorteilen von Agroforstsystemen stellt sich die Frage, wo hier der Haken ist. Ein Nachteil von Agroforstsystemen ist der zeitliche Mehraufwand, verglichen mit der herkömmlichen Bewirtschaftung. Hier ist es besonders wichtig das Agroforstsystem auf den jeweiligen Betrieb anzupassen.
Ein weiterer Punkt sind die Initialkosten, sowohl für die fachliche Beratung als auch für das passende Pflanzgut. Es gibt glücklicherweise schon immer mehr Fördermöglichkeiten.
Heute Bäume zu pflanzen ist jedoch eine der besten Investitionen in die Zukunft. Unsere ausgewählten Ertragskulturen helfen dabei mittel- und langfriste Erträge zu generieren.
Die Frage nach der Konkurrenz um Nährstoffe und Wasser im Wurzelraum lässt sich nicht mit richtig oder falsch beantworten. Auf der einen Seite brauchen die Gehölze Wasser und Nährstoffe für ihr Wachstum. Allerdings holen sie es zT. auch aus anderen Bodenschichten als einjährige Kulturpflanzen. Außerdem sorgen sie durch den Windschutz für weniger Verdunstung und durch den Laubfall geben viele Bäume auch wieder Nährstoffe an den Boden ab. Es gibt jedoch Baumarten, welche durch ein intensives Flachwurzelsystem eher mit den Kulturpflanzen in Konkurrenz treten. Diese können durch einen regelmäßigen Wurzelschnitt entlang des Ackerrandes (z.B. mit einem Tiefenlockerer) begrenzt werden.
Agroforstsysteme in der Praxis
Wir stehen vor den großen Problemen unserer Zeit – Artensterben, Klimawandel und drohender Kollaps vieler Ökosysteme weltweit. Innerhalb unserer Generationen wird sich die Zukunft der Menschheit entscheiden. Es liegt an uns, ganzheitliche Lösungsansätze zu finden, wie der Mensch seinen Platz im Ökosystem finden kann, ohne dieses zu schädigen und die natürlichen Ressourcen nutzen kann, ohne dass diese langfristig gefährdet werden.
Agroforstsysteme sind hierbei ein wichtiger Ansatz, um Klimaschutz, Naturschutz, Landwirtschaft und Forstwirtschaft miteinander zu verbinden.
In den letzten Jahren sind in Deutschland viele Agroforstsysteme entstanden und der Trend setzt sich fort, da viele Landwirte und auch Politiker die Vorteile erkannt haben. Die wohl häufigste Form der Agroforstsysteme sind simple Kurzumtriebsplantagen. Allerdings beweisen sich auch andere Formen der Agroforstwirtschaft derzeit in der Praxis.
Mikroklima Agroforst
Die Gehölze sorgen für Windschutz, permanente Bodenbedeckung, Temperaturausgleich, schützen vor starker UV-Strahlung und spenden Schatten. Hierdurch verändern sie das Mikroklima und schaffen günstige Wuchsbedingungen für weitere Kulturpflanzen. Ab einem je nach Kulturpflanze spezifischen Beschattungsgrad wirkt diese sich zwar negativ auf das Pflanzenwachstum aus, allerdings lässt sich das mit einem regelmäßigen Baumschnitt lösen.
Durch die positiven Effekte auf das Mikroklima wurde in der Praxis bereits vielfach eine ertragssteigernde Wirkung von Agroforstsystemen belegt.
Agroforst Bäume
Mithilfe von Bäumen, Sträuchern und weiteren mehrjährigen Kulturen können produktive landwirtschaftliche Ökosysteme geschaffen werden, welche gleichzeitig wichtige Ökosystemdienstleistungen erfüllen, Klimawandel-resilient sind und hochwertige vitale Lebensmittel erzeugen.
Es gibt zahllose vielversprechende essbare Gehölze für die Zukunft. Angefangen bei Nüssen wie Esskastanie, Walnuss, Haselnuss, Herz- und Pekannuss, einmal gepflanzt können sie mehrere Hunderte Jahre alt werden und jedes Jahr große Mengen hochwertiger Kohlenhydrate, Fette und Proteine für den menschlichen Verzehr produzieren.
Obstgehölze und Beeren von bekannten und unbekannten Arten, vom Apfel, zur Jujube bis hin zur Persimone und der Honigbeere, stellen eine weitere wichtige Kategorie der Agroforstwirtschaft dar.
Weiterhin spielen verschiedene Forstgehölze sowohl für Wertholz, als Biomasse-Lieferanten und für ein artenreiches, resilientes Agroforstsystem eine wichtige Rolle.
Humusaufbau Agroforst
Die Bäume durchwurzeln den Boden, leisten Photosynthese und nähren das Bodenleben. Hierbei spielen sowohl die zuckerhaltigen Wurzelexudate, welche von den Wurzeln an das Bodenleben abgegeben werden, sowie die organischen Stoffe der absterbenden Biomasse (Laub, Holz, Wurzeln) eine Rolle. Das Bodenleben wiederum bildet Humus. Dies führt zu einer besseren Wasserspeicherkapazität des Bodens und einem gesünderen Wachstum der Pflanzen. So schließt sich der Kreislauf und das eine bedingt das andere: Gesunde Pflanzen – gesunder Boden.
Durch Agroforstsysteme, vor allem mit gezieltem Baumschnitt, kann effektiv Humus aufgebaut werden und dadurch auch CO2 gespeichert werden.
Wie ertragreich sind Agroforstsysteme?
Die Erträge von Agroforstsysteme hängen natürlich von vielen Faktoren ab, wie etwa die Standortbedingungen, Betriebsausrichtung und Arbeitskraft, die genaue Planung des Agroforstsystems, die (unberechenbaren) klimatischen Veränderungen, usw. Es wäre von daher vermessen zu sagen, dass Agroforstsysteme per se ertragreich und lukrativ sind.
Allerdings kann durch gute Planung mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür gesorgt werden, dass die Agroforstsysteme eine gute Investition in die Zukunft darstellen.
Ein großer Vorteil von Agroforstsystemen ist die mehr-dimensionale Nutzung der Fläche, sowohl in Raum als auch in Zeit. Dass soll heißen, das auf derselben Fläche auf verschiedenen Ebenen kurz-/mittel- und langfristig Nahrung und andere Rohstoffe angebaut werden können. Dies zudem mit einem hohen Mehrwert für das Klima, die Artenvielfalt und für eine resiliente und lokale Lebensmittelerzeugung.
Die Frage ist nicht ob es sinnvoll ist Agroforstsysteme anzulegen. Die Frage ist nur, wie genau es sinnvoll ist, sie an dem jeweiligen Standort unter den jeweiligen Bedingungen anzulegen.
Agroforstsysteme von ackerbaum
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Beratung zur Anlage von Agroforstsystemem
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Finanzierung von Agroforstsystemem
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